Jan, 45, Pulsnitz: „Besser man hat, als man hätte!“

Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp

Wie ticken Männer im mittleren Alter? Wie blicken sie auf ihr bisheriges Leben und was würde ihr junges Ich über sie heute sagen? In unserer Köpfe-Rubrik protokollieren wir Momentaufnahmen.

Es gibt tatsächlich nichts, das ich bereue. Meine Devise „Besser man hat, als man hätte!“, hat mich bislang gut durchs Leben gebracht.

Klar macht man im Leben auch Fehler, aber dann hat man es wenigstens versucht. Ich bin ein Bauchtyp, nicht völlig kopflos, aber ich entscheide oft aus dem Bauch raus. 

„Ich entscheide oft aus dem Bauch raus”

Ich habe zum Beispiel alle fünf bis sechs Jahre den Job gewechselt. Das war durchdacht, aber nie von langer Hand geplant. Seit Anfang des Jahres bin ich selbstständig. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal mache. Aber das war eine richtig gute Entscheidung! 

Ich habe nach dem Abi zuerst eine Banklehre gemacht, dann studiert und bin darüber in die Agenturszene gerutscht. Später habe ich noch als Head of Marketing, in der Geschäftsführung einer Agentur und später auch als Co-Geschäftsführer eines Tattoo-Studios gearbeitet.

Selbstständigkeit

2013, im zweiten Job, habe ich meinen Blog newmediapassion angefangen. Darüber hinaus war ich auf Blogger-Treffen, habe Vorträge gehalten und Workshops gegeben. 2016 habe ich dann ein Kleinstgewerbe angemeldet – das war die Grundlage für meine heutige Selbstständigkeit.

Ich bin also 2023 nicht bei null gestartet, sondern hatte schon einige Kunden. Die waren sehr froh, dass ich jetzt mehr Kapazitäten zur Verfügung habe.

„Selbständigkeit ist ein komplettes Umdenken“

Ich hätte das wirklich nie gedacht. Selbständigkeit ist ein komplettes Umdenken. Ich war schon immer gut im Homeoffice, sehr diszipliniert. Aber dieses: „Du kannst jetzt machen, was du willst, und bist nur für dich selbst verantwortlich“ – das war schon krass. Das ist echt ein einschneidendes Erlebnis, wenn du komplett für dich allein verantwortlich bist! Am Anfang musst du noch ein paar organisatorischen Dinge mit der Krankenkasse und so klären. Aber inzwischen läuft das echt gut!

Mugge

Schon als Jugendlicher habe ich angefangen, Musik aufzulegen. Das habe ich von meinem Vater geerbt, der war zertifizierter Alleinunterhalter in der DDR, also DJ. 

Das ging schon in der Schule los. Als ich noch mit Doppelkassettendeck, Dreikanal-Mischpult und kleiner, selbstgebauter Lichtorgel losgezog. Der Trainer unseres Tischtennisvereins hatte damals eine Kneipe und fragte mich, ob ich nicht die Silvester-Party beschallen wolle. Das war im Dezember 1996. 100 Leute, 100 Mark – das war meine erste bezahlte Mugge.

„100 Leute, 100 Mark – das war meine erste bezahlte Mugge“

Ich habe dann viele Jobs für eine Eventagentur gemacht und im Grunde alles bespielt: Geburtstage, Hochzeiten, Stadtfeste…

Einmal sollte ich für die Agentur nach Meerane, bei einem großen Stadtfest die Musik an einer Hüpfburg machen. Am Vorabend hatte ich noch eine Firmenfeier in einem großen Hotel. Ich komme also in Meerane an, gehe zum Veranstalter und sage: „Hey, ich soll die Mugge an der Hüpfburg betreuen!“ Und der so: „Nee, du sollst auf der  großen Bühne moderieren!“ Vor ca. 1.000 Leuten!

Ich hatte eine Stunde Zeit, mich vorzubereiten. Ich habe wie ein Großer den Bürgermeister interviewt, durch die Eröffnung geführt – das war ganz großes Kino. Danach haut dich erstmal nichts mehr um!

Seit einiger Zeit bespiele ich vorwiegend Hochzeiten und ab und an ein Firmen-Event, meistens in Dresden. Fünf bis sechs Stück im Jahr, manchmal auch mehr. Mein Sohnemann ist jetzt 12. Der geht seit einiger Zeit mit und macht den Licht-Jockey. Er baut seine Technik selbst auf, verlegt Kabel, programmiert die Moving-Heads und hat mittlerweile ein richtig gutes Gefühl für Stimmung, Takt und Drops.

Kraftsport und Tuning

Vor drei Jahren habe ich Kraftsport als Hobby entdeckt. Ich habe früher schon viel trainiert, war viermal die Woche immer mittags trainieren. Inzwischen gehe ich drei bis fünfmal in der Woche ins Fitness-Studio. Das macht den Kopf frei und einen schlanken Fuß *lol*

Mein anderes Hobby ist das Tuning: Ich fahre einen Skoda Octavia RS. Tieferlegen, Verbreitern, das sieht einfach cool aus. Mein Bruder hat das Projekt „Carmatics“ gegründet. Die treffen sich regelmäßig zu Ausfahrten, Photoshootings und Events. Einmal im Jahr veranstalten sie ein großes Treffen „Carmeetics“, 1.000 Leute, 300 Autos – da bin ich auch am Start und bin der Mann für Mugge und Moderation.

Mich tätowieren zu lassen, das ist inzwischen auch irgendwie zum Hobby geworden. Darüber bin ich damals auch zu dem Job im Tattoo-Studio gekommen. 

Erste Zeit „Nestmodell“

Ich habe mich neu verliebt und wohne seit einiger Zeit mit meiner Freundin zusammen in ihrem Haus. Meine Kinder, ich habe Zwillinge, Junge und Mädchen, sind wochenweise da. Die haben inzwischen eine eigene Etage (wir nennen es „den Westflügel“), das klappt richtig gut. 

Ich war 12 Jahre verheiratet, aber wir hatten uns irgendwann auseinandergelebt. Es gab kein gravierendes Erlebnis, das dazu führte. Die Liebe war einfach weg. Wir haben uns eine Zeit X gegeben und wie Bruder und Schwester zusammengewohnt. Irgendwann nach einem Jahr haben meine Ex-Frau und ich uns in die Augen geschaut und gesagt: „Okay, dann lass uns überlegen, wie wir die Trennung angehen, vor allem mit den Kids.“

„Das erste Jahr haben wir das Nestmodell gelebt“

Das erste Jahr haben wir das Nestmodell gelebt: Die Kinder sind in der Wohnung geblieben und wir Eltern haben wochenweise gewechselt. Das war zwar ganz schöner Stress für uns Eltern. Aber für die Kinder war es im Nachhinein betrachtet das Beste.

Für die Kinder war es gut zu sehen, dass eine Trennung machbar ist. Auch wenn sie am Anfang sehr traurig waren. Aber so haben sie gelernt, dass man auch nach einer Trennung normal und freundschaftlich miteinander umgehen kann.

Das Alleinsein genießen

Eines ist mir noch sehr in Erinnerung geblieben: In der ersten Woche Nestmodell war ich das erste Mal eine Woche alleine. Davor hatte es immer – zehn Jahre lang – Freitags „Papa-Jan-Nudeln“ gegeben. Da stehe ich an dem ersten Freitag alleine in meiner neuen Wohnung und denke: „Mist, keine Nudeln!“

Ich habe angefangen, spazieren zu gehen. Mittlerweile kenne ich jeden See, jeden Wald, jede Aussichtsplattform in der Gegend. Das erste halbe Jahr alleine – das hat mir echt viel gegeben! Da fängst du an, das Alleinsein zu genießen!

Und, was ich inzwischen auch sehr zu schätzen weiß: Es ist total geil, sich eine Woche komplett um die Kinder kümmern zu können und mit ihnen Zeit zu verbringen und eine Woche Zeit für dich und deine Freundin zu haben! Wir nutzen die Zeit auch sehr intensiv, gehen essen, ins Kino und machen Sachen nur für uns allein. Wenn die Kids da sind, dann haben sie meine ganze Aufmerksamkeit.

Irgendwann woanders leben

Wovon ich träume? Ich bin ein absoluter Fan von allem Nordischen: Irland, Schottland… Mein Traum ist, dort irgendwo ein Haus oder Cottage zu kaufen und auszuwandern. Das wird natürlich nicht heute und morgen. Aber Träumen darf man ja.

Ich will nicht in Deutschland sterben. Ich sehe mein kleines Haus am See, mit Kräutergarten und einer Bank. Du sitzt vor deinem Haus und sinnierst über vergangene Zeiten und bist einfach nur zufrieden.

„Ich will nicht in Deutschland sterben“

Ich habe mal einen Film gesehen, da sagte der sterbende König zu seinem Sohn: „Ich bin ein zufriedener Mann.“ Das hat mich sehr beeindruckt. Innere Zufriedenheit ist sehr wichtig im Leben.

Was mein 18-jähriges Ich über mich sagen würde? „Krass, so will ich auch mal werden, wenn ich mal so alt bin. Alles richtig gemacht!“

Protokoll: Peter Stawowy

"

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mehr lesen

autor:innen

gesucht!

×