Kann es sein, dass deine Träume Sch… sind?

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Was will ich eigentlich? Ein normgerechtes Einfamilienhaus am Stadtrand? In ruhiger Lage mit Blick auf….zig weitere normgerechte Einfamilienhäuser?

Der fette Webergrill steht auf der Terrasse, im Wohnzimmer hängen Sinnspruchbilder von Depot.

Die Küche? Habe ich im XXL-Küchenstudio zum Preis eines Neuwagens individuell anfertigen lassen. Ich liebe es zu kochen! Wenn ich Zeit habe. Aber die ist kostbar, ich muss schließlich ständig Holz für den Bollerofen in der guten Stube hacken.

Oder das Zeuch stapeln. Oder kaufen. Oder mich darüber beschweren, dass Buche immer teurer wird.

Vielleicht möchte ich lieber ein Tiny House? Minimalismus, Baby! Komplett autark!

Ich schmeiß’ meine ganzen Habseligkeiten und Erinnerungen weg, in der Winzighütte ist kein Platz mehr für die Vergangenheit!

Und ich bin perfekt vorbereitet: Wird der Wald, in dem ich wohne, gerodet, kann ich dank Anhängerkupplung problemlos an einen anderen Ort ziehen. Ich brauche nur einen Pick-Up, der das Tiny House in den nächsten Wald zieht.

Voll easy! Reduzieren auf das Wesentliche, das Leben findet draußen statt.

Dass meine Kinder zwei Stunden bis zur Waldorfschule brauchen, ist halb so wild. Die gewöhnen sich bestimmt daran. Im Wald bin ich glücklich. Eins mit der Natur, der Uhu bringt mich ins Bett, die Lerche weckt mich pünktlich zum Sonnenaufgang.

Mit dem 100.000 Euro teuren Zwergenhaus werde ich glücklich sein. Ganz sicher!

Ist es das, was ich will?

Versteht mich nicht falsch: Nahezu jedes Lebensmodell ist legitim, wenn es die eigenen, innigsten Wünsche widerspiegelt.

Das müssen Außenstehende nicht kapieren, niemand muss sich vor fremden Leuten für die eigenen Wünsche rechtfertigen.

Und doch stellen sich mir immer wieder die Fragen: Woher kommen diese Träume? Und wieso scheinen so viele Menschen die gleichen zu haben?

Individualismus ist offenbar nur eine Fiktion, der wir hinterher rennen – ohne überhaupt zu wissen, ob die Vorstellung von diesem vermutlich guten Leben überhaupt die richtige und für einen passende ist.

Bin ich nach der Erfüllung meiner Träume endlich (irgendwo) „angekommen“? Oder war das alles Bullshit und ich habe mich in die Hölle katapultiert?

Der Traum von Freiheit? Und dann?
Der Traum von Freiheit? Und dann?

Wovon träume ich? Traum vom Haus? Oder Tiny House? Traum vom Wohnmobil und Reisen um die Welt?

Traum vom Lottogewinn? Mit viel Geld wird alles gut? Millionen Menschen wollen das auch.

Aber wie viele Männer und Frauen, die ihre Träume umsetzten, wissen jetzt, dass Campen mit zig anderen Leuten und ihren Wohnmobilen auf einer betonierten Fläche an der Ostsee irgendwie doch nicht so einzigartig ist?

Oder dass ein Tiny House ein beengender Zirkuswagen für Luxusclowns ist?

Träume sind Schäume

Mit Mitte 40 zersetzen sich meine ursprünglichen Träume. Es entsteht (m)eine neue Realität.

Ich weiß mittlerweile: Viele Wünsche waren Mumpitz und unrealistisch. Sie bringen mich in keiner Weise auch nur ansatzweise weiter, sondern binden mich an (im schlimmsten Fall langweilige) Orte und überflüssige Dinge. Ich hechelte ihnen lange genug hinterher, ohne sie zu erreichen. Und währenddessen war ich vor allem eines: unzufrieden. Und individuell schon gar nicht.

Vermutlich haben mich Konzerne mit ihren Versprechen eingelullt und manipuliert.

Ich bin nicht freier, wenn ich konsumiere, mich mit einem Einfamilienhaus verschulde und mir noch mehr Plunder zulege, für den ich gar keine Zeit habe. Ich brauche kein Wohnmobil für 70.000 Euro, das ich nur drei Wochen im Jahr benutze.

Nach und nach zu erkennen, was ich nicht brauche, ist hilf- und erkenntnisreich. Es formen sich neue Wünsche, die zu MIR passen und von Innen kommen. Vielleicht von Herzen?

Mehr Zeit für mich und meine Familie reizt mich mehr, als für Materielles Überstunden zu schieben.

Ich bin zufrieden am Badesee in Brandenburg – und nicht erst dann, wenn ich mit dem Camper nach einer Woche vollkommen fertig am Mittelmeer ankomme. F*ck auf den Webergrill. Ich habe sowieso keinen Platz in meiner Mietwohnung oder im Hinterhof für so ein Monster.

Eine leckere Bratwurst bekomme ich trotzdem – ich wohne schließlich nicht in der Pampa in meinem generischen Einfamilienhaus, sondern in der lebendigen Stadt mit einem richtigen Angebot an Gastronomie (und Kultur).

Geld macht nicht glücklich

Eigenheim und Grill sind geil! Na klar!

Wenn Träume materieller Natur sind, ist das selbstverständlich in Ordnung – solange diese nicht dafür verantwortlich sein sollen, ob wir glücklich werden oder nicht. Sowieso sollten wir unser Glück niemals von Geld und den Lebensmodellen anderer abhängig machen.

Die Menschen mit ihren Einfamilienhäusern, den Doppelhaushälften oder den drei Pauschalurlauben im Jahr mit All-Inclusive-Bändchen befinden sich in ihren Realitäten und sind (möglicherweise echt total) zufrieden. Sie bilden aber nicht die eigenen Träume ab. Die, ja die muss jeder für sich finden.

Ich bin mir sicher: Bei der Traumfindung darf das Materielle nur eine untergeordnete Rolle spielen. Sonst bestimmt es den Traum vom guten Leben. Wer dann nicht genügend Geld aufbringen kann, stürzt in sein Unglück.

Ein „ich bin erst dann glücklich, wenn ich DIESES kaum schaffbare Ziel erreicht habe“, ist falsch und führt immer zu Unzufriedenheit. Von solchen Gedanken muss man sich lösen!

So platt es klingen mag: Das Glück kommt stets von innen und nicht von außen.

Sven Wernicke

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