Matthias, 49, Dresden: „Gastro war immer mein großer Traum“

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Wie ticken Männer im mittleren Alter? Wie blicken sie auf ihr bisheriges Leben und was würde ihr junges Ich über sie heute sagen? In unserer Köpfe-Rubrik protokollieren wir Momentaufnahmen.

Ich habe gerade ein Eiscafé eröffnet. Gastro war immer mein großer Traum. Es gab schon mal eine Zeit in meinem Leben, da habe ich in einer Eisdiele gearbeitet. Jetzt schließt sich der Kreis wieder.

Ich bin staatlich anerkannter Erzieher, habe lange Zeit als Kita-Leiter gearbeitet und war da jetzt im 30. Berufsjahr. Vor zwei Jahren wurde mir klar, ich brauche noch einen Schritt, die Arbeit mit den Kindern ist nicht bis zur Rente möglich. Ich bin zu nah dran, habe keinen Abstand mehr, etwas die professionelle Distanz verloren.

Erzieher, Musiker oder Gastro?

Ich hätte auch die Musikerkarriere wählen können, da habe ich eine Weile darüber nachgedacht. Aber das ist nicht gut für mich – ich trinke dann zu viel. Und der narzisstische Anteil, wenn du immer auf der Bühne stehst, bekommt zu viel ab. In Dresden kennen mich viele nur als Musiker und Entertainer JB Nutsch. JB – das kommt daher, dass mal jemand zu mir gesagt hat, dass ich den Charme von James Bond und den Soul von James Brown habe. Was für ein Kompliment!

Die Musikkarriere begann schon früh. eigentlich mit 10. Da hatte ich eine Wette mit einem Freund. Die Musikschule hatte ein Vorsingen. Wir haben gewettet, wenn ich es schaffe, dann bekomme ich einen Becher Eis. Einen Becher Eis, ist das nicht verrückt?

In meinem Beruf als Erzieher habe ich mich regelrecht hochgearbeitet. Ich war erst in einem Kinderhaus, habe dann eine Wohngruppe in Mecklenburg geleitet und bin dann wieder zurück nach Dresden. Eine Kollegin und ich haben dann einen Kinderladen gegründet, immer nach dem Montessori-Prinzip.

Wir wollten auswandern

Also ich meine damalige Frau kennengelernt habe, sind wir für die Hochzeitsreise nach Bali. Wir waren von der Region total geflasht und haben gesagt: Hier wollen wir leben! Ich habe dann einen Job als Leiter des Kindergartens der Deutschen Schule Shanghai/Pudong bekommen. Den Arbeitsvertrag habe ich heute noch. 2012 wollten wir auswandern, waren da schon schwanger.

Dann ist meine Frau schwer krank geworden. Fast wären beide gestorben. Wir müssen jetzt entbinden, hat der Arzt gesagt, um wenigstens einen zu retten. Mein Sohn Charlie ist dann drei Monate zu früh auf die Welt gekommen, beide haben es geschafft. Da war klar, Shanghai, das geht nicht. Die Schule hat erst noch gewartet, aber ich habe dann gesagt, nein, das wird nichts.

Hier war alles gekündigt, die Wohnung, der Job, wir hatten den Haushalt aufgelöst und alles verschenkt. Das Haus in Shanghai war schon angemietet, wir hatten noch genau vier Kisten und sonst nix. Auch keine Kohle, ich hatte ja mit dem Geld aus Shanghai gerechnet. Wir waren dann etwas mehr als ein halbes Jahr bei ihren Eltern im Kinderzimmer einquartiert. Ich bin zum Amt gegangen, die haben uns echt geholfen. Ich konnte dann erst nicht als Kita-Leiter arbeiten, musste mich ja um die Pflege von Frau und Kind kümmern. Im Sommer 2012 habe ich dann der Eisdiele von einem Freund von mir angefangen, der hat mich damit echt unterstützt.

Schwerpunkt Frühgeborene

Im Herbst 2012 bin ich dann wieder als Kita-Leiter eingestiegen. Da war das Thema Frühgeborene für mich sehr aktuell und ich habe die Montessori Tagesstätte MonTaNu mit Schwerpunkt Frühgeborene und deren Familien gegründet. Die Elternbegleitung ist extrem wichtig! Das habe ich dann ein paar Jahre gemacht.

Ende vergangenen Jahres tat sich die Chance auf, dieses Eiscafé hier zu übernehmen. Das liegt mitten im Dresdner Hecht-Viertel, wo wirklich viele Familien leben. Früher war das ein richtiger Treffpunkt für Familien, das wird er jetzt auch wieder werden.

Die Inhaber, meine alten Chefs aus der Zeit in der Eisdiele, hatten den Laden komplett saniert und wollten ihn verpachten. Du kannst sowas aber nicht allein machen. Erst hatte ich jemanden, der mit einsteigen wollte, aber bei dem hat sich eine echt positive Entwicklung ergeben. Dann rief mich der Schwager von einem der beiden Chefs an und meinte, er wolle nach Dresden kommen und eine Eisdiele eröffnen. Wir haben uns dann getroffen. Manuel und ich, das hat gepasst wie Arsch auf Eimer!

Es folgt noch viel im Palma & Kleinschmidt

Wir sind ein eigenständiges Unternehmen, eine GbR. Zum 1. April 2024 haben wir ein Pre-Opening mit Eisverkauf gestartet. Es soll aber noch ganz viel folgen, unser „Palma & Kleinschmidt“ wird ein richtiges Café werden, mit Kinderspielecke und kleinem Frühstück. Auch Menschen mit Laptop, die hier sitzen und arbeiten wollen, sind willkommen! „Palma & Kleinschmidt“, das sind die Mädchennamen unserer Mütter. Das Familien-Konzept wird sich auch in den Namen der Eisbecher widerspiegeln, die bekommen die Vornamen unserer Eltern und Verwandten: Helmut, Ingrid, Charlie und so weiter.

Wir wollen das sehr lange machen! Wenn es gut läuft, können wir vielleicht in zwei Jahren jemanden als Restaurant-Leiter einstellen. Bis dahin sind wir erstmal selbst hier jeden Tag. Man müsste schon sehr viel falsch machen, damit das hier nicht richtig gut wird. Ich freue mich sehr!

Was mein 18-Jähriges Ich über mich sagen würde? Uff. Mit 18, da war ich verlobt, wollte heiraten, eine Familie gründen und viele Kinder in die Welt setzen. So ganz klassisch! Mein 18-jähriges Ich würde, wenn es mich sehen könnte, sagen: Niemals. NEVER!

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